Biographie

 

Es war Freitag, der 03.12.1971, meine Mutti ist für ein paar Tage nach Leipzig in die Schule gefahren, weil der Geburtstermin erst im Februar geplant war und sie nicht so viel vom Unterrichtsstoff verpassen wollte. Doch Früh 4:30 Uhr traten unerwartet die ersten Wehen ein und sie rief einen Krankenwagen, um schnellstens in die Leipziger Uniklinik zu kommen. Mit Ach und Krach schafften es die Rettungssanitäter sie einzuweisen, bevor ich, Grit Hilbig, 5:00 Uhr, zwei Monate zu früh, in Steißlage, das Licht der Welt erblickte.

 

Nach der Geburt war der Schock groß, ich kam mit einer schweren Behinderung zur Welt, alles an mir war versteift, das Einzige was sich bewegt hat, war mein kleines Köpfchen. Die Großgelenke waren alle unterentwickelt und zum Teil versteift, Muskeln fehlten in Armen und Beinen, die Hände waren deformiert. Schonend brachten die Ärzte meiner Mutti, Elke Hilbig, bei, dass sie vermuten, dass meine Lebenserwartung drei Wochen nicht überdauern würde. Doch mein Lebenswille war größer, mittlerweile bin ich 34 Jahre und strotze vor Gesundheit, doch der Weg bis hier her war stolprig und ein einziger Kampf.

 

Die Ärzte haben kurz nach der Geburt den Vorteil der weichen Knochen genutzt, um meine Arme zu beugen, damit sie wenigstens passiv bewegt werden konnten, um mich leichter An- und Ausziehen zu können. Ein paar Wochen danach wurde ich vorübergehend in die Dösener Klinik überstellt, um meine Gehirnfunktionen zu testen, doch da gab es zum Glück nichts zu bemängeln, mein Gehirn funktionierte einwandfrei.

 

Im Juni 1972 wurde ich dann  endlich aus der Klinik entlassen und durfte nach Hause zu meiner Familie. Da meine Mutti noch ziemlich jung war, nämlich blutjunge 16 Jahre bestand diese aus meiner Mutti und meinen Großeltern, Ingeborg und Artur Hilbig.

 

Im September des gleichen Jahres hatte meine Omi mit mir einen Termin, der nur auf Privatbasis zu bekommen war, bei Professor Dr. Panzer, Spezialist der Orthopädie in Erfurt. Sie ist mit mir in der Hoffnung dahin gefahren, Möglichkeiten zu finden, meine Behinderung zu verbessern. Doch Professor Dr. Panzer erklärte ihr, dass von medizinischer Seite her keine Chance bestand eine Verbesserung zu erwarten, aber er stellte fest, dass ich eine gute Motorik und viel Willenskraft besitze und er schlug ihr vor, dass wir uns in einem Jahr noch mal vorstellen sollten.

 

Meine Omi hat ihn dieser Zeit alles versucht, mich zu aktivieren, sie hat es geschafft, dass ich sitzen lernte, sie nähte mir ein Rutschkissen und damit ich mich in der ganzen Wohnung fortbewegen konnte. Ich durfte dieses Kissen auch mit in die Krippe nehmen und auch dort habe ich die Welt auf meinen Po erkundet, sogar vor Treppen habe ich keinen Halt gemacht.

 

Meine Omi hat sich meine Neugierde und meinen Spieltrieb zu Nutze gemacht und hat es sogar geschafft, dass ich lernte meine Arme zu bewegen und auf eigenen Beinen zu stehen und als wir dann zum zweiten Termin bei Professor Dr. Panzer vorsprachen, bin ich an ihrer Hand ins Behandlungszimmer gelaufen. Der Professor konnte es gar nicht glauben, dass ich die gleiche Grit sein sollte, wie die vor einem Jahr. Nun hatte er auch einen Vorschlag die Situation doch verbessern zu können, indem mir die Achillessehnen verlängert werden sollten, damit ich nicht mehr auf Spitzfüßen laufen musste. So wurde ich im Juni 1974 an beiden Beinen operiert und lag für 5 Wochen im Gips.

 

Der Erfolg stellte sich ein, ich konnte wenige Monate später, zuerst nur an der Hand, dann sogar alleine laufen und meinem Entdeckerdrang waren keine Grenzen mehr gesetzt.

 

Am 27.03.1976 heiratete meine Mutti Rainer Zenker und wir beide nahmen seinen Namen an, somit hieß ich ab sofort Grit Zenker.

 

Im gleichen Jahr schaffte meine Omi dann den Höhepunkt, sie lernte mir das Schwimmen. Ich hatte immer ein grenzenloses Vertrauen zu ihr, wenn sie sagte, du gehst nicht unter, wenn du dich lang aufs Wasser legst dann bin ich auch nicht untergegangen und durch Krätschen und Schließen der Beine schaffte ich es mich auch vorwärts zu bewegen.

 

Obgleich meine gesamte Familie den ganzen Tag berufstätig war und ich tagsüber in der Krippe und im Kindergarten war, hat meine Omi es geschafft das Bestmögliche aus mir herauszuholen.

 

Meine Omi hat in der Stadtwirtschaft als Kaderleiterin gearbeitet, mein Opa als Schlosser im Fahrzeugzubehörwerk (IFA), meine Mutti, als gelernte Sozial- Ökonompädagogin, dozierte und mein Vati arbeitete als Elektriker in einer Heizungsfirma.

 

Am 01.09.1978 wurde ich eingeschult, ich kam in eine Politechnische Oberschule für Körperbehinderte in Gera und unsere Klasse bestand aus 7 Kindern, sechs Jungen und einem Mädchen, nämlich mir. Ich bin sehr gern in die Schule gegangen und wer mich kennt, der kann sich gut vorstellen, dass ich auch hier einen Kniff gefunden habe in der Schule mitschreiben zu können.

 

Am 16.01.1979 kam mein Bruder Daniel Zenker, zum Glück völlig gesund zur Welt

 

Ab der sechsten Klasse bin ich ins Internat nach Sülzhain, ein kleines Dörfchen im Harz, direkt im damaligen Sperrgebiet, gekommen, weil Gera nicht in der Lage war, für Behinderte Menschen die Schulbildung auch nach der Fünften zu gewährleisten. Deswegen wurden Klassen normalerweise auseinander gerissen und aufgeteilt, die Schwerbehinderten wurden nach Sülzhain geschickt und die leichteren Fälle durften nach Erfurt. Unsere Familien kämpften aber darum, dass wir zusammen bleiben konnten und setzten sich durch, so konnten wir gemeinsam die nächsten Jahre erleben. Die Kehrseite der Medaille war allerdings, dass uns nicht Jeder besuchen konnte wie er wollte, es musste erst immer ein Antrag auf Eintritt in die Sperrzone gestellt werden und nur wenn man Glück hatte, wurde dieser auch bewilligt.

 

Die zehnte Klasse absolvierte ich in Birkenwerder, weil ich gern noch das Abitur dranhängen wollte und dies war wiederum in Sülzhain nicht möglich. Doch mit dieser Entscheidung habe ich mir keinen Gefallen getan, ich war dort so einsam, mir haben meine Jungs gefehlt und dort bin ich einfach nicht warm geworden. Letztlich habe ich mich dann durchs letzte Schuljahr gequält und bin danach wieder nach Hause, ohne Abitur in der Tasche.

 

Von 1989 bis 1990 absolvierte ich eine einjährige Ausbildung über Erwachsenenqualifizierung, unter lauter Nichtbehinderten, zum Finanzkaufmann. Das war eine aufregende Zeit, 60 Prozent der Ausbildungszeit unterrichtete meine Mutti und die war ziemlich streng zu mir, wenn ich den Mund nur aufmachte gab es eine Rüge. 10 Prozent hat dann meine Omi übernommen und die restlichen 30 Prozent durfte ich auch mal mit Dozenten verbringen, die nicht zu meiner Familie gehörten.

 

Mitten im Schuljahr kam dann die Wende, ich glaube die Umstellung vom sozialistischen Lehrstoff zum Kapitalistischen fiel nicht nur uns Schülern schwer. In uns brodelten die Fragen, welcher Lehrstoff zur Prüfung zugelassen wird und ob nun alles verkehrt war, was wir gelernt hatten. Zum Glück hat sich ja in Sachen Buchführung und kaufmännischen Rechnens nichts geändert und Recht blieb auch Recht ob sozialistisch oder nicht.

 

Eines hatte sich aber doch geändert, zu DDR-Zeiten hätte ich mit Beendigung der Prüfung schon einen Arbeitsplatz gehabt, jetzt sah es mau aus. Es fand sich einfach kein Arbeitgeber, der mich aufgrund meiner Behinderung eingestellt hat, zum Schluss bin ich in einer Behindertenwerkstatt gelandet, wo ausschließlich Geistigbehinderte gearbeitet haben. Das war die „Erfüllung meiner Träume“ und deshalb habe ich auch nur ein Jahr durchgehalten.

 

1991 bot das Arbeitsamt eine Umschulung zur Bankkauffrau an, ich war sofort Feuer und Flamme und füllte gleich den Antrag aus. Daraufhin musste ich zu einem Feststellungstest, ob ich auch intelligent genug für die Ausbildung war. Der Test verlief prima und ich habe sogar besser abgeschlossen als manch Einer mit Abitur. Voller Stolz präsentierte ich das Ergebnis dem Arbeitsamt doch die wollten die Kosten trotzdem nicht übernehmen, weil ich ihnen nicht garantieren konnte, hinterher auch eine Arbeit zu bekommen. Aber wer konnte das schon? Ich habe diskutiert und argumentiert und dann hätten sie es erlaubt, wenn ein anderer Träger die Kosten übernehmen würde, es war ein ständiges Hin und Her. Zum Schluss habe ich mich einfach mit in die Klasse gesetzt und abgewartet. Das Arbeitsamt hat sich geschlagen gegeben und ich durfte dann auch offiziell weiterlernen.

 

Zu dieser Ausbildung gehörte auch ein dreimonatiges Praktikum, welches ich in der Volksbank Gera absolviert habe. Ich fand die ganze Materie höchst interessant, es machte so viel Spaß mal hinter die Kulissen einer Bank zu schauen, angefangen von der Kreditabteilung bis hin zum Schalterraum. Leider waren in letzterer Abteilung die Kunden nicht so aufgeschlossen, sich von einer Behinderten bedienen zu lassen und so waren die Vorstandvorsitzenden gezwungen mich wieder umzusetzen.

 

1993 beendete ich mit erfolgreicher Prüfung meine Ausbildung und das Arbeitsamt behielt Recht, denn ich wurde von der Bank nicht übernommen, weil meine Behinderung nicht kundenfreundlich genug war.

 

1994 gründete ich einen Country-Verein für Behinderte und Nichtbehinderte, trat in einen Frauenchor ein, nahm Gesangsunterricht, entdeckte mein Interesse für Seidenmalerei und Stickerei, arbeitete angagiert im Behindertenverband mit und verbrachte jede freie Minute mit meinen Computer.

 

1998 drückte ich erneut die Schulbank, ich erlernte den Beruf der Kauffrau für Bürokommunikation, eine Ausbildung für behinderte Frauen. Des Weiteren lernte ich Ende desselben Jahres meinen Lebensgefährten Kai Vieregge kennen.

 

Am 01.10.2001 zog ich, nach langer Suche, in meine erste eigene Wohnung in ein Betreutes Wohnen, mitten im Stadtzentrum von Gera. Hier waren alle Voraussetzungen gegeben, dass ich Rund um die Uhr versorgt werden konnte. Leider blieb dies nicht so, die Nachtschichten wurden eingespart und das Haus wurde nur noch von 8:00 Uhr bis 20:00 Uhr mit Personal besetzt. Wenn nicht zufällig mein Bruder mit im gleichen Haus gewohnt hätte, dann hätte ich keine Chance gehabt länger dort zu wohnen.

 

Trotzdem war diese Situation kein Dauerzustand und meinem Freund und mir kam die Idee, da es bestimmt mehrere Menschen wie mich gab, die auch Nachts Betreuung brauchen, ein eigenes Betreutes Wohnen ins Leben zu rufen. Am 01.10.2002 meldete Kai das Gewerbe an, wir sprachen bei allen Wohngenossenschaften vor, stellten unsere Idee vor und fanden in der Wohngenossenschaft „Neuer Weg“ einen geeigneten Partner. Sie besaßen das geeignete Projekt, es wurde frisch saniert und wir konnten unsere Erfahrungen mit einbringen.

 

Am 01.10.2003 war es dann soweit, unser Betreutes Wohnen wurde eröffnet. Wir konnten 24 Wohnungen anbieten wovon sechs Rollstuhlgerecht und achtzehn Altersgerecht umgebaut wurden. Auch wir beide bezogen eine 90 m² große rollstuhlgerechte Dreiraumwohnung.

 

Unser Leistungsangebot beinhaltete von der Grundpflege über hauswirtschaftliche Tätigkeiten bis hin zur Freizeitgestaltung alles, nur Medikamente durften wir nicht stellen und verabreichen und auch für Verbände brauchten wir einen geeigneten Pflegedienst als Partner.

 

Durch einen Sturz in unserer Wohnung am 06.06.2004, brach ich mir beide Oberarme, ich verbrachte die nächsten drei Wochen im Krankenhaus, mir wurden operativ in jeden Arm zwei Drähte eingesetzt, damit die Knochen, auch ohne Gips, wieder zusammenwachsen konnten und erlernte durch eine zweimonatige Kur in Bad Liebenstein meine Arme wieder zu bewegen

 

Nach einiger Zeit wollten wir unseren Patienten gern alle Leistungen aus eigener Hand anbieten und entschieden uns deshalb einen eigenen Pflegedienst zu gründen. Wir stellten alle Anträge bei der AOK Thüringen in Erfurt und bekamen am 01.10.2004 unsere Zulassung, nun konnten wir unser Geschäft auch erweitern und einen Außendienst aufbauen.

 

Wir sind bemüht unsere Kunden zufrieden zu stellen und wollen unser Geschäft weiterhin vergrößern und das nicht nur in diesem Haus, sondern durch Eröffnung eines zweiten Hauses, mit weiteren 24 Wohnungen, voraussichtlich am 01.10.2006, bis dahin sind wir bemüht auch unseren Außendienst zu erweitern.

 

Im April 2006 fand ich durch Zufall im Internet eine Seite über professionelles Schreiben, mit dem Angebot es durch eine Ausbildung selbst erlernen zu können. Schnell begeisterte ich mich dafür und kontaktierte den Anbieter, Herrn Horst Mehler. Ich klärte mit ihm alle meine Fragen und meldete mich an.

 

Nun bin ich gerade mit meiner ersten Hausaufgabe fertig geworden und hoffe, dass ich mich einigermaßen geschickt angestellt habe.

 

 

Gera, 07.04.2006

 

Grit Zenker

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